Linescio
Oktober, 2025Von Linescio nach Locarno mit dem Klapprad
Altweibersommer im Tessin
6 Monate Fast-Winter in Basel war mir zu früh und ich bin letztes Wochenende für ein paar Tage ins Tessin geflüchtet. Das ist mein Hoffnungs- und Wärmeort, wenn in Basel die Tage kälter und kürzer werden. Dort hat es meistens noch oder schon ein paar Grad und Sonnenstrahlen mehr als hier. Diesmal wollte ich es mit einem Klapprad ausprobieren, weil das Tessin schon teuer genug ist, könnte man zumindest am Velopreis der SBB etwas sparen, so der Plan. Also habe ich beherzt auf Facebook Marketplace ein Klapprad ersteigert und mir schon beim ersten Probefalten den Daumen eingeklemmt. Well, no risk no fun;)
Im Zug und Bus nach Linescio
Ich hatte recherchiert, wo man im Oktober am Lago Maggiore noch eine erschwingliche Unterkunft bekommt und mir haben ehrlich gesagt die Ohren geschlackert bei den Preisen mittlerweile. Sie steigen gefühlt seit 10 Jahren kontinuierlich an – hat man früher z.B. für ein Bett im 6-er Zimmer in der Jugendherberge in Locarno noch ca. 33 CHf gezahlt, sind es mittlerweile 50 oder mehr CHF. Die Campingplätze liegen bei den günstigsten mit 26 CHF bei Bellinzona und dem teuersten bei Locarno mit über 60 CHF für 4qm Wiese im Freien, wenn man ihn online vorreservieren möchte. Bella Ciao. Ich habe mich für ein Mehrbettzimmer in einem authentischen Rustici entschieden, es lag etwas abseits im Rovana Tal in Linescio und klang ein bisschen abenteuerlich und genau richtig zum abschalten für ein paar Tage und erschwinglich schien es auch mit 38 CHF pro Nacht.
Also bin ich mit dem Klapprad in Basel in den Zug und Tatsache, ich musste nix extra zahlen, weil es in einer Tasche verpackt war und keinen Veloplatz versperrt hatte. Die Zugfahrt war sehr gechillt, am Do Mittag waren nicht so viele Leute bis Luzern unterwegs, danach wurde es zwar voller, aber man hatte noch genug Platz. Der Umstieg in Bellinzona war sogar am gleichen Gleis, was ein Glück. Dann die nächste Challenge – den richtigen Bus erwischen und einen Platz für mich und mein Gepäck finden. Der BHF in Locarno war voll, die Herbstferien und ein Marathon-Lauf und alle, die noch etwas Sonne tanken wollten tummelten sich in der Stadt und am See. Also nahm ich lieber direkt den Bus Nr. 315 Richtung Cevio – und oh Wunder, auch der kam sofort und Platz hatte er auch. Läuft. Dann hatte ich eine Std. Aufenthalt in Cevio und konnte dort noch Sachen für’s Abendessen einkaufen. Cevio ist klein und es gibt einem megaherzigen lokalen Laden namens Val Magia – ein Zusammenschluss von lokalen Produzenten, die Käse, Brot und lokale Produkte verkaufen. Einen Coop gibt es ebenfalls gleich nebenan und die zentrale Busstation für’s Tal liegt gegenüber. Dort standen denn auch die Busfahrer bei einem Schnack und liessen sich Zeit. Eigentlich sollte der letzte Bus Nr. 331 nach Linescio um 18:15h von der Haltestelle losfahren. Ich hoffte auf einen grossen Bus für mein Gepäck. Die schweizer Pünktlichkeit wird im Tessin von der italienischen Gemütlichkeit abgelöst und so um 20 nach sechs stieg der Busfahrer dann mal gemächlich in seinen Minibus und fuhr Richtung Haltestelle, die Anzeige schaltete er nicht ein. Aber er führe nach Linescio war die Antwort. Ok. Das Rad in diesen Mini-Bus zu bekommen war schon eine grössere Challenge, es passte genau hinter den Vordersitz zwischen die einzige Frau im Bus und mich. Ich war heilfroh. Der Bus fuhr an und stoppte wieder nach 5 Metern, weil doch noch jemand mitfahren wollte. Mir rutschte das Herz in die Hose. Eine Busfahrer Kollegin mit Hund und Gatte, beide hatten schon ein bisschen einen im Tee. Sie war sehr gesprächig und erzählte vom Busfahren, dass es Spass macht mit den Serpentinen, dass sie früher auch LKW gefahren ist und viele hier Deutsch können wg. der Touristen. Mehrere Apartments hatte sie und gehe mit ihrem Hund hier sehr gern Gassi – der knutschte sie während ihrer Geschichte immer wieder ab. Ihr Gatte stimmte ihr nickend zu. Willkommen im Ticino. In Linescio half mir ihr Gatte beim Ausladen des Gepäcks, das feststeckte und fiel fast selbst mit aus dem Bus, aber mit Gelächter gings. Dann musste ich die Treppen am Friedhof vorbei runter zur Hostelleria, das Rad musste ich tragen – zum Teil waren die Dächer der Rustici zwar eingestürzt aber ich wollte es ja authentisch mit tessiner Charme und günstig;)
Hostelleria A Vejo
Im Hostel angekommen war noch eine andere Gruppe angereist, ihnen wurde gesagt, sie seien alleine – mir wurde das gleiche per Mail mitgeteilt, zum Glück gab es mehrer Häuser. Der Herbergsvater Lupo wusste nichts von meiner Ankunft, sein Kollege hätte es anscheinend falsch eingetragen. Die Dächer wurden gerade geputzt, deshalb könnte ich leider nur in der Küchenstube auf dem Sofa schlafen, dafür kann ich im Kamin selbst Feuer machen. Ob ich mich mit der Axt auskenne? öhm, nö, aber Feuer machen kann ich, ich hatte zum Glück mein Campingzeugs dabei und Anzündwürfel sicherheitshalber eingesteckt, Mac Gyver liess grüssen. Das war auch wichtig, es war saukalt nachts in der Hütte und das Feuer machen am Abend war eine Hauptbeschäftigung.
Aber die Umgebung war ein Traum und die Leute im Hostel waren zwar etwas unorganisiert, untypisch schweizerisch aber super nett und hilfsbereit.
Bosco Gurin und der Wanderweg
Am nächsten Tag wollte ich nach Bosco Gurin und von dort eigentlich zurück nach Linescio wandern . Der Bus fuhr am Morgen tatsächlich, zwar wieder etwas zu spät aber 10 Min plus minus wusste ich mittlerweile sind hier normal. Bosco Gurin ist das höchste Dorf im Tessin mit kleinstem Coop und schönem Ausblick. Ich bin erstmal zur Bäckerei, die gleichzeitig eine Poststation und eine Hausbrauerei war und fand niemanden darin. Nach einer Runde durchs Dorf hatte ich es nochmal probiert und diesmal stand der vermeintliche Postbote am Tresen. Er war auch gleichzeitig Bäckereiverkäufer und Bierbrauer, praktisch. Nach einem leckeren Apfelstrudel und Espressi ging ich auf die Suche nach dem Wanderweg. Diese sind leider etwas dürftig beschildert. Der nach Cevio ging in beide Richtungen und es war nicht ganz klar, welcher der richtige war. Ich bin zunächst der Rovana entlang bergauf gelaufen bis mir ein Mann gesagt hat, dass der Talweg auf der anderen Seite verläuft. Also alles wieder zurück und auf der Suche nach dem Wanderweg ins Tal, der etwas versteckt vor dem Dorf in einer Kurve hinter einer kleinen Kappele liegt.
Dieser Weg ging dafür steiler bergab, er war zwar auch megaschön, aber mit dem ganzen Herbstlaub und den Steinen darunter war er mir zum alleine wandern etwas zu heikel, so dass ich nach einer knappen Std. wieder umgekehrt bin und hoch ins Dorf zurückgelaufen bin. In der Osteria Albergi habe ich mich trotzdem mit einer Minestrone belohnt. Hinter mir sassen zwei ältere Männer, der eine sei den ganzen Weg von Cevio raufgewandert, der andere von Bellinzona mit dem Velo hochgefahren. Respekt. Ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen und mich eher geschämt, dass ich es nicht geschafft hatte. Der Wanderweg wäre allerdings sehr im Schatten verlaufen und mittlerweile ordentlich kalt in der Schlucht, es gäbe schönere um diese Jahreszeit meinte der ältere Mann.
Aber der Tag war trotzdem schön und Nachmittags konnte ich noch vom Haus aus bis zur Brücke zum Fluss runter laufen, ein paar Maroni sammeln und dort die Aussicht auf die Rovana Schlucht bewundern, was super eindrücklich war. Auch die Terrassen mit den angelegten Trockenmauern, für welche Linescio bekannt ist sind toll zum anschauen. Den Abend habe ich mit Feuer machen und Kochen verbracht und den Sternenhimmel bewundert.
Cevio und Veloweg Nr. 31 im Maggiatal
Am nächsten Tag ging es weiter nach Cevio und von dort ins Maggia Tal. Diesmal mit dem Klapprad. Der Mitarbeiter von der Herberge hatte mir noch bei den Bremsen einstellen geholfen, weil die Strasse runter schon recht anspruchsvoll und kurvig ist, aber auch cool zum Runterfahren. Es gab megaviele Serpentinen und ich war froh, dass ich sie nicht hochgefahren bin;)
Unten angekommen habe ich den Veloweg 31 der Maggia entlang genommen, welcher megaschön zu fahren ist. Leider hatte ich nach ein paar km einen Platten und trotz Aufpumpen mit geliehener Pumpe konnte ich nicht weiterfahren und bin nur bis Maggia gekommen und dann auf den Bus Richtung Losone, wo mein Campingplatz für diese Nacht lag.
Camping Melezza in Losone
Der Campingplatz ist klein und nett, kleine Parzellen, viele Dauercamper und Hunde aber sehr freundliche Stimmung. Direkt neben der Maggia gelegen kann man hier noch etwas die Füsse ins Wasser stecken. Nachts wird es allerdings durch den Fluss neblig und feucht, die Sachen sollte man reinpacken. Ich bin abends noch nach Locarno, um dort etwas zu essen, in Locarno liefen die Leute den Stadt-Lauf und Marathon, Respekt, die Tessiner sind echt sportlich unterwegs. Egal ob 10 jähriger oder 70jährige alle waren sie am rennen und ehrgeizig.
Die Pizza bei Del Angelo war lecker und die Atmosphäre am See entspannt. Am nächsten Morgen konnte ich auf dem Camping einen lieben Donaueschinger um Hilfe mit dem Rad bitten, er hatte tagszuvor das gleiche Problem, ist durch einen Nagel gefahren und konnte mir mein Rad zusammen mit seinem Zwillingsbruder flicken, was ein Glück.
Danach ist mir auf dem Weg nach Locarno zwar noch mal die Kette runtergeflogen aber egal, ich konnte sie wieder flicken.
Ascona habe ich am Sonntag besucht, hier war es auch voll an der Promenade und alle am Pizza essen und Aperol Spritz schlürfen. Ich habe mir in Locarno, nachdem die Kette wieder runter geflogen ist, noch einen Hugo gegönnt und bin dann auf den Zug zurück Richtung Basel. Der wurde ab Bellinzona propevoll mit Feriengästen und Militärleuten bis Basel, die zum Teil auf dem Boden sitzen mussten.
Der ganze Ausflug war zwar etwas ruckelig und klapprig aber trotzdem war es ein tolles und megaschönes Wochenende mit viel Sonne im wunderschönen Tessin :))
Links:
Übernachtung
- Hostelleria A Vejo, Linescio
- Camping Melezza, Zondone Losone
Restaurants
- Osteria Albergi, Bosco Gurin
- Bäckerei Bosco Gurin
- Del Angelo, Locarno
- Al Borgo, Locarno
Lebensmittel
- Coop, Cevio
- Val Magia, Cevio
Transport
- Ticino Ticket – erhältlich bei der Unterkunft
Ausflüge
- Veloweg Nr. 31 durchs Maggiatal
- Fluss Maggia
- Ascona Promenade
- Locarno Lido und Park Balli
- Wanderung Bosco Gurin – Cevio
- Sight Seeing 90%
- Food 70%
- Transportation 50%
- Activities 80%
Best Food & Drink
1. Come na Gavetta, Ilha Tavira
Flambierte Gambas oder Chicken Teriyaki Bowl, die moderne Küche bietet für jeden Geschmack etwas
2. Cafe Mabi, Vila Nova Milfontes
Sehr schönes Cafe in der Nähe des Zentrums
3. Sunset Bar A Prateleira, Burgau
Bier, Croquettas, gute Stimmung und wenn man Glück hat Delphine im Meer 😉
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